
Broken Music
Der englische Ausdruck to sculpt a sound [einen Klang bildhauerisch formen] beschreibt plastisch die Funktionsweise einer Schallplatte: Sie bringt Klang in eine plastische Form. Umgekehrt bietet sie die Möglichkeit, den geformten, „eingefrorenen“ Klang als plastisches Material zu gebrauchen.
Der Ausstellungsbereich Broken Music zeigt Ursula Blocks Sammlung von Arbeiten bildender Künstler, die mit dem und für das Medium Schallplatte entstanden sind: Schallplatten, Schallplattenhüllen, Schallplattenobjekte, Schallplatteninstallationen. Die vertretenden Künstler verstehen die Schallplatte dabei nicht als bloßes Medium der Speicherung und Wiedergabe musikalischer Ideen, sie interessiert im Gegenteil ihre akustische und optische Präsenz. Darüber hinaus wird in diesem Bereich eine Videoinstallation von Nam June Paik gezeigt (TV-Dog), die der Künstler 1993 persönlich für Ursula Block angefertigt hat. Die Installation zeigt eine Plastik von Frau Blocks Hund vor einem TV-Gerät sitzend und erinnert damit an Paiks berühmte Arbeit TV-Buddha (1974).
Der Begriff Broken Music selbst geht auf den tschechischen Künstler Milan Knížák zurück, der Anfang der 1960er-Jahre begann, Schallplatten systematisch zu zerstören, indem er sie beispielsweise bemalte, verbrannte, zerkratzte, zerbohrte, zerbrach und wieder verklebte – die daraus entstehenden Collagen nannte er Broken Music. Auch Jean Dubuffet suchte in der Bearbeitung von Schallplatten nach Wegen aus dem Glatten und Perfekten, suchte nach radikalen, neuen Klängen, und visionäre Künstler wie László Moholoy-Nagy, Marcel Duchamp, John Cage, Nam June Paik oder Lawrence Weiner nahmen ebenfalls Schlüsselpositionen im kreativen Umgang mit der Schallplatte ein. Auf der konzeptuellen Ebene steht Broken Music für den Bruch mit konventionellen Hörgewohnheiten, für das Streben nach der größtmöglichen Klangvielfalt.
Die Zerstörung überkommener Vorstellungen als Aufbruch zu etwas Neuem kann als künstlerisches Leitmotiv aus Knížáks Arbeiten extrahiert werden. Ein vereinfachendes Motiv, das dennoch tragkräftig genug ist, den ganzen Ausstellungsbereich darunter zusammenzufassen.
Allen in diesem Ausstellungsbereich gezeigten Exponaten ist gemein, dass in ihnen eine komplexe Auseinandersetzung zwischen Akustischem und Visuellem stattfindet. Die Präsentation des Broken Music-Archivs von Ursula Block will diese Positionen markieren und ihre historischen Wurzeln so weit wie möglich herausarbeiten.
Kuratorin: Ursula Block
Claus Böhmler
geb. 1939 in Heilbronn (DE), lebt in Hamburg (DE)
Aus einer LP ausgekoppelte Single
Skulptur
1987
Vinylschallplatte (LP) aus der eine Single herausgeschnitten wurde, Zeichnung
Ursula Block
KP Bremer
geb. 1938 in Berlin (DE), gest. 1997 in Hamburg (DE)
Komposition für Tim Wilson II
1986
Zeichnung
Indische Tinte und Wasserfarbe auf Millimeterpapier
33 × 33 cm
Ursula Block
Henning Christiansen
geb. 1932 in Kopenhagen (DK), gest. 2008
Jouez my pipe
1986
Skulptur
Vinylplatte, Pfeife, Farbe
Ursula Block
Mauricio Kagel
geb. 1931 in Buenos Aires (BR), gest. 2008 in Köln (DE)
Der Umweg zur höheren SubFidelität
4 Fotoprints auf Karton (Fotografien von Candida Höfer)
Ursula Block
Milan Knížák
geb. 1940 in Pilsen (CZ), lebt in Prag (CZ)
Broken Music
Multhipla Records Nr. 5
1979
LP
ø 30 cm, 33 RPM
Würfel-Objekt aus Schallplatten
40 × 40 × 40 cm
Christian Marclay
geb. 1955 in San Rafael (US), lebt in New York City (US)
Record without a cover
1985
2 Stück, schwarz und weiß
ø 30 cm, 33 RPM
Recycled Records New York
12′′ black vinyl grooveless record with golden label in black suede poche with gold lettering
1987
Edition (50 Stück), signiert und nummeriert
Ecart Editions, Genf/New York
More Encores
Christian Marclay plays with the records Louis Armstrong …
1988
LP
ø 30 cm, 33 RPM
No Man’s Land, Würzburg
Footsteps
1988
1 LP aus der Installation von Christian Marclay in den Räumen der gelben Musik, Berlin, 1988
Poster mit einer Installationsansicht
Piotr Nathan
geb. 1956 in Danzig (PL), lebt in Berlin (DE)
Snowflakes
1987
Wandarbeit
100 Ausschnitte aus Schallplatten
Maße variabel
Ursula Block
Nam June Paik
geb. 1932 in Seoul (KR), gest. 2006 in Miami Beach (US)
TV-Dog
1993
Skulptur und Grafik
Kamera, Monitor
Grafik 58 × 83,5 cm
Ursula Block
Reiner Ruthenbeck
geb. 1937 in Velbert (DE), lebt bei Düsseldorf (DE)
Dachsskulptur
1972
Edition (Auflage 400)
Karton (20 × 16,5 cm), Schallplatte (∅ 17 cm), Leporello (120 × 17 cm), 3 doppelseitig bedruckte Pappkarten (19,5 × 15,8 cm)
Ursula Block
Tomas Schmit
geb. 1943 in Thier bei Wipperfürth (DE), gest. 2008 in Berlin (DE)
tomas schmit’s SCHALLPLATTE
1970
Edition (Auflage 10)
Holzlatte, Filzstift, hektografiertes Etikett
99 × 5 × 2 cm
Ursula Block
und ca. weitere 110 LPs und LP-Cover.
Abb.: © ZKM | Karlsruhe, Foto: Steffen Harms